Stellungnahmen
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ – werden auch Sie aktiv!
(Bildquelle: Zeichnung Pia Wieteck, Kristalle Pixabay)
Die angespannte Arbeitssituation der Pflegepersonen im Krankenhaus sowie Risiken der Patienten, durch pflegerische Unterversorgung unerwünschte Ereignisse zu erleiden, verschärft sich vielerorts weiter! Das Pflegepersonalstärkungsgesetz PpSG und die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) sollten eigentlich zur Stärkung der Pflege dienen. Allerdings zeichnet sich in einigen Kliniken bereits ab, dass die in den gesetzlichen Vorgaben und damit veränderte Finanzierung der Pflegepersonalstellen deutliche Fehlanreize setzt und genau Gegenteiliges bewirkt.
- Gehören Sie auch zu den Kliniken, in welchen kein Pflegepersonal aufgebaut wird?
- Sind bei Ihnen auch Servicekräfte abgebaut oder offene Stellen nicht nachbesetzt worden?
- Wurde Ihnen auch mitgeteilt, dass Sie künftig mehr Aufgaben im ärztlichen Bereich übernehmen sollen?
- Wurden neuerdings wieder Aufgaben des Transportdienstes, Reinigungsarbeiten usw. herangetragen?
- Sind bei Ihnen Stellen im Bereich der Stabsstellen der Pflegedirektion abgebaut, oder nicht nachbesetzt worden?
- Werden bei Ihnen ebenfalls am Abend Patienten verschoben, um die Erfassung des Patienten um Mitternacht zu beeinflussen und die Personaluntergrenzen einzuhalten?
- Haben Sie beobachtet, dass Personal im Bereich der Physiotherapie, Ergotherapie abgebaut oder offene Stellen nicht nachbesetzt wurden?
- Haben Sie immer noch keine Zeit, eine adäquate pflegerische Versorgung orientiert am pflegediagnostischen Prozess und Konzepten der aktivierenden Pflege durchzuführen?
- Gehen Sie öfters mit dem Gefühl nach Hause, heute nicht in ausreichendem Maße den Pflegebedarf des Patienten erfüllt zu haben?
Haben eines oder mehrere Punkte in Ihrer Klinik beobachtet bzw. erlebt?
Gerne möchten wir Ihnen die Wirkmechanismen aufzeigen, die dazu führen, dass in Kliniken vielleicht auch bei Ihnen genau diese beschriebenen Veränderungen stattfinden.
Fehlanreize durch PpSG
Die Herauslösung der Pflegepersonalkostenanteile aus der heutigen G-DRG ist eine heikle Trennung. Künftig sollen Krankenhausleistungen über eine Rumpf-DRG und ein Pflegebudget für die Pflege am Bett finanziert werden. Aktuell kann niemand abschätzen, was das für Auswirkungen für die künftige Krankenhausfinanzierung haben wird. Da die Pflegekostenanteile in den DRGs für die Pflege am Bett sehr unterschiedlich vom prozentualen Anteil sind (8-40%), werden die künftigen Fallgruppen komplett neu strukturiert. Es besteht zudem die Herausforderung abzugrenzen, welche Pflegepersonen über das künftige Pflegebudget finanziert werden sollen. Hierzu wurde eine Pflegepersonalabgrenzungsvereinbarung getroffen und es ist bereits heute absehbar, dass es hier zwischen den Verhandlungspartnern Streit geben wird.
Durch die neuen Regelungen kann eine Klinik keine Kosten mehr auf Seiten der Pflegepersonen am Bett einsparen. Allerdings können künftig Einsparungen bei dem Personal durchgeführt werden, welches nicht unter das Pflegebudget fällt. Wie zum Beispiel Servicepersonen, die z. B. die Materialschränke im Stationsbereich auffüllen, das Essen austeilen und die Bestellungen aufnehmen, Reinigungspersonen, welche z. B. die Betten, Zimmer, Nachtkästchen reinigen. Physio-, Ergotherapeuten, welche mit den Patienten Prophylaxen und z. B. Waschtraining durchführen. Die Liste lässt sich noch deutlich verlängern.
Wenn also ein Geschäftsführer einsparen muss oder möchte liegt es auf der Hand, dass die Unterstützungskräfte für die Pflege abgebaut werden. Damit wird das Budget der Rumpf-DRG entlastet und Finanzmittel werden freigesetzt. Die Aufgaben werden der Pflege übertragen, denn hier kann ohne Begrenzung eingestellt werden. Was eingestellt wird/wurde wird bezahlt – vorausgesetzt die Pflegeperson ist im Bettenbereich also auf der Station verortet und es handelt sich um eine Pflegeperson. Durch die Herauslösung der Pflegepersonalkosten am Bett aus der DRG-Kalkulation werden die Kliniken künftig deutlich weniger Mittel zur Verfügung haben. Um die Verluste erträglich zu gestalten, gibt es einen zweijährigen Schutz für Kliniken, die die Verluste auf eine Größenordnung von etwa 2 Prozent reduzieren. Während dieser Phase ist davon auszugehen, dass Kliniken Pflegepersonal aufbauen, um das Pflegebudget zu erhöhen. Denn nur die IST-Kosten des eingestellten Pflegepersonals am Bett bestimmen das künftige Pflegebudget. Wenn Kliniken wie in den vergangenen Jahren einsparen müssen, ist diese bei den Pflegepersonalstellen nicht mehr möglich.
Da bisher nicht transparent ist, welche Aufgaben Pflegepersonen auf einer Stationseinheit generell übernehmen, fällt diese Arbeitsverlagerung nur uns Pflegenden selbst auf. Auch negative Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit der Pflege auf unerwünschte Ereignisse bei den Patienten werden nicht sichtbar, da in deutschen Kliniken hierüber keine erkennbaren Kennzahlen vorliegen.
Wir denken, Sie können jetzt nachvollziehen, warum Sie vielleicht bereits heute schon einige der beschriebenen Veränderungen bemerkt haben.
Natürlich macht der Geschäftsführer das nicht einfach so, in der Regel stehen Liquiditätsprobleme der Klinik dahinter oder andere Gründe. Zudem haben wir Pflegenden es überwiegend noch nicht geschafft, den ökonomischen und wertschöpfenden Anteil unserer pflegerischen Arbeit in Zahlen und Daten sichtbar zu machen.
Eines wird deutlich, wenn hier kein Mechanismus gefunden wird, diesen massiven Fehlanreiz zu unterbinden, wird Pflege wieder mehr putzen.
Unser Appell an Sie: Tun Sie etwas! Denn die Arbeitsbelastung der Pflegenden wird zukünftig, den Prognosen und ersten Erkenntnisse der Entwicklungen nach, durch die Umstrukturierungen des DRG-Systems in zahlreichen Kliniken steigen. Pflege wird noch mehr pflegefremde Tätigkeiten übernehmen!
Was wollen wir erreichen? – Stärkung der Pflege!
- Die Arbeitsbelastung der Pflegepersonen am Bett reduziert sich auf ein adäquates Maß und wird dem sich verändernden Patientenklientel angepasst.
- Mitarbeiter der Pflege erhalten mehr Zeit für die Umsetzung des pflegediagnostischen Prozesses und die Erfüllung des festgestellten Pflegebedarfes, um die Patientensicherheit und die Pflegequalität zu erhöhen.
- Die Pflege entwickelt sich als eigenständige Profession im Krankenhaus und erhält erforderliche Handlungsspielräume, um Versorgungskonzepte, Patientenedukation, Expertenstandards etc. weiterzuentwickeln und umzusetzen.
Wie könnte Pflege tatsächlich gestärkt werden?
Den aufgezeigten potenziellen Auswirkungen lässt sich nur damit entgegenwirken, wenn die Pflege mit leistungsbezogener Erlösrelevanz im DRG-System und/oder im Katalog zur Risikoadjustierung des Pflegeaufwandes verortet bleibt und darauf basierend ein Pflegeerlössystem entwickelt wird. Gute pflegerische Arbeit und/oder hochaufwendige Pflege mit aktivierend-therapeutischen Pflegekonzepten sollte auch entsprechend honoriert und in ein „echtes Pflegebudget“ überführt werden! Denn 2020 wird die Pflegedirektion im wesentlichen Personal basierend auf IST-Kosten im Unternehmen nach einem strengen vorgegebenen Korsett ohne unternehmerischen Gestaltungsspielraum steuern.
Pflegebudget mit Pferdefuß
Grundsätzlich ist ein Budget eine im Rahmen eines Investitions- und Finanzplanes für Bereiche eines Unternehmens vorgesehene Haushaltsposition. Das Budget beschreibt die maximal zu Verfügung stehenden Finanzmittel, um die unternehmerischen Ziele zu erreichen. Hier ist unternehmerischer Gestaltungsspielraum angesagt, um die gesetzten Ziele mit möglichst geringen Mitteleinsatz zu erreichen. Dagegen ist das Pflegebudget entsprechend der Gesetzgebung die Finanzierung von IST-Stellen der Personen, welche Pflege am Bett leisten und Pflegepersonen sind. Der Gestaltungsspielraum der Pflege zu überlegen, auf welchem Weg mit welchen Unterstützungskräften die pflegerischen Zielsetzungen erreicht werden können ist nicht vorgesehen. Der Einsatz von Servicekräften als Unterstützungspersonen für Pflege, der Einsatz von exzellent ausgebildeten Pflegepersonen am Bett zur Personalentwicklung (Training on the Job), Mittel für Pflegepersonalentwicklung sind nicht im Pflegebudget vorgesehen. Die Chancen hier Mittel aus dem Bereich der Rumpf-DRG zu verhandeln sind gering.
Hierzu bietet die Fachgesellschaft Profession Pflege e. V. sofort verfügbare Lösungsansätze mit Hilfe zweier Instrumente an. Den Kliniken wird kostenfrei über die Fachgesellschaft Profession Pflege ein Basisassessment und Pflegeinterventionen mit hinterlegten Zeitwerten zur Verfügung gestellt. Pflegende dokumentieren künftig die geplanten und erbrachten Pflegeleistungen nicht auf Papier, sondern smart auf dem Handy oder Tablet. Wir glauben, dass dieser aufgezeigte Weg verhindern kann, dass Pflege putzt und Pflege wertschöpfend die Versorgung mitgestalten kann. Die über normale Regeldokumentation abgebildete Pflege wird genutzt, um die Fallschwere und den Pflegebedarf abzubilden und bei der Justierung der Personaluntergrenzen und so hoffen wir später bei der Entwicklung eines Pflegeerlöskatalogs dazu führt, dass "gute Pflege" angemessen finanziert wird.
Durch eine elektronische Patientenakte und Pflegeprozessdokumentation gibt es keine Doppeldokumentation mehr und pflegerische Daten können mehrfach genutzt und wieder genutzt werden. Zum Beispiel bei Patienten, die immer wieder in die Klinik eintreten, kann basierend auf dem Voraufenthalt auf bereits bestehende Informationen aufgesetzt werden. Echte Entbürokratisierung ohne Qualitäts- und Informationsverluste! Es wird keine Zusatzdokumentation für abrechnungsrelevante OPS-Codes mehr geben, wie z. B. den PKMS oder die Dokumentation der geriatrischen Pflege in Gerda. Dieses wird Auswirkungen auf die Attraktivität haben. Zudem wird der Digitalisierungsprozess in den Kliniken auch in der Pflegedokumentation gefördert und damit deutlich entbürokratisiert und erleichtert.
VORAUSSETZUNG: Aufnahme der beantragten OPS-Schlüssel ins DRG-System.
Unterstützen Sie die OPS-Anträge
Wir als Fachgesellschaft Profession Pflege e. V. und der Bundesverband Pflegemanagement e. V. sind überzeugt, dass die aktuellen Fehlanreize nur ausgeschaltet werden können, wenn transparent wird, welche Leistungen Pflegende bei den Patienten tatsächlich erbringen und diese einen angemessene Vergütung erhalten. Ein erster Schritt könnte die Aufnahme der Anträge des Bundesverbandes Pflegemanagement e. V. und der Fachgesellschaft Profession Pflege in den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) sein. Die beiden Anträge könnten den PKMS ablösen und dazu dienen, dass der Pflegelastkatalog zur Risikoadjustierung differenzierter das unterschiedliche Leistungsgeschehen der Pflege bei den künftigen Personaluntergrenzen und dem Pflegepersonalquotienten berücksichtigt. Davon hängt ab, ob Kliniken künftig auf bestimmten Facheinheiten mehr Personal vorhalten müssen oder nicht. Zudem könnten und sollten diese Grundlagen dazu genutzt werden, den Pflegeerlöskatalog so auszugestalten, dass Kliniken mit einem „guten“ pflegerischen Versorgungsstandard und Leistungsgeschehen ein höheres Pflegebudget erhalten, als jene Kliniken mit einer „Satt und sauber“-Versorgung, bei der das Pflegepersonal überproportional häufig pflegefremde Tätigkeiten erledigt. Das Pflegebudget ist dabei unabhängig von den Ist-Kosten nach der Abgrenzungsvereinbarung zu finanzieren. Die PpUGV sollte mit dem Ausbau des Pflegeerlöskataloges abgesetzt werden. Das Pflegebudget muss sich am Leistungsgeschehen der Klinik orientieren und nicht an den Ist-Kosten. Der Gestaltungsspielraum der Pflegedirektion würde folglich erweitert, sie könnte die Teams in der Pflege mit Servicepersonal, Pflegefachkräften und exzellent ausgebildetem Personal zusammenstellen, um eine evidenzbasierte, am Pflegebedarf des Patienten orientierte Pflege zu realisieren. Wie kann das aussehen? Durch die Anträge wird der Anreiz gesetzt, dass auch Sie in Ihrer Einrichtung bald ein gutes Softwaretool haben, in dem Sie Ihre Assessmentdaten und Pflegemaßnahmen dokumentieren. Mit diesen Daten kann künftig weitergearbeitet werden und der unterschiedliche Pflegeaufwand in den Facheinheiten gemessen werden. Die Pflegedirektion hat wenig Argumente für die Investition, einer guten elektronische Pflegeprozessdokumentation, welche Prozessabläufe optimal unterstützt, entbürokratisierende Wirkmechanismen aufweist und eine zielorientierte Steuerung im Unternehmen durch ein systematische Pflegecontrolling ermöglicht durchzusetzen. Das kann sich durch eine vorgegebene Terminologie im OPS-Katalog ändern. Über die Instrumente zur elektronischen Patientenakte können Sie hier mehr erfahren:
Was können Sie tun?
Informieren Sie sich über die Fehlanreize, diskutieren Sie mit den Berufsverbänden, was wirklich zielführende Strategien zur Vermeidung sein können.
Setzen Sie sich für eine evidenzbasierte Pflege ein, dazu gehört auch eine angemessene Pflegeanamnese und Zustandserhebung, Feststellung des pflegerischen Problems (Pflegediagnose) und die Planung sowie Durchführung von evidenzbasierten Handlungskonzepten der Pflege. Pflege ist weit mehr als eine „Satt und sauber“-Versorgung!
Schreiben Sie dem BMG, dass Pflege einen eigenen Pflegeerlöskatalog benötigt z. B. basierend auf dem Katalog zur Risikoadjustierung des Pflegeaufwandes. Die Schritte dahin sind:
- Annahme der beiden OPS-Kataloge der Fachgesellschaft Profession Pflege und Bundesverband Pflegemanagement e. V. und Ablösung des PKMS
- Überführung der pflegerischen Relativgewichte in einen Erlöskatalog durch schrittweise Einführung eines Pflegeerlösentgeltwertes
Setzen Sie sich dafür ein, dass die elektronischen Patientenakten mit standardisierter Pflegesprache für alle Kliniken verbindlich zur Pflegedokumentation einzusetzen sind, dann kann alle Doppeldokumentation und vieles unnötige Dokumentieren entfallen.
Schreiben Sie uns unter info@pro-pflege.de für weitere Informationen und Hintergründe. Gerne teilen wir Ihnen auch die Kontaktdaten mit, um Ihren Beitrag entsprechend zu adressieren.
Termine, um mehr zu erfahren und aktiv mitzudiskutieren:
- Am 05.08.2019 findet ein Webinar genau zu diesen Fehlanreizen statt und der Lösungsweg mittels der beiden beantragten OPS-Kodes wird vorgestellt. Melden Sie sich beim Bundesverband Pflegemanagement e. V. an. www.bv-pflegemanagement.de
- Diskutieren Sie mit den Verantwortlichen für die Ausgestaltung des PpSG auf der RECOM-Jahrestagung am 04. und 05. Dezember in Kassel www.recom.eu/jahrestagung