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Neue Regierung: Faktencheck
Hier ein paar Überlegungen bzw. ein Faktencheck zum Koalitionsvertrag der neuen Regierung:
1. Verbindliche Einführung der Pflegepersonalregelung 2.0 im Krankenhaus „als Übergangslösung mit dem Ziel eines bedarfsgerechten Qualifikationsmix“. Bei dieser Aussage drängen sich zwei kritische Fragen auf: Wie soll ein bedarfsgerechter Qualifikationsmix aus der Personalbemessung PPR 2.0 ableitbar sein? Das Instrument ist hierfür nicht konzipiert. Die zweite Frage wäre, welchen Mehrwert die Einführung der PPR 2.0 haben soll. Zur Erinnerung: Kliniken können Pflegepersonen am Bett ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung einstellen. Dies wird aus zwei Gründen aktuell nicht gemacht. Zum einen gibt es das Fachpersonal nicht auf dem Arbeitsmarkt und zum anderen kommen die Pflegebudgetverhandlungen nicht voran, sodass Kliniken bei Personaleinstellungen in Vorleistung gehen müssen Dieser Missstand ist vorrangig zu klären. Daran wird ein PPR 2.0 nichts ändern. Kritisch ist zudem anzumerken, dass die PPR-2.0-Einführung in vielen Kliniken eine komplette Umstellung in der Pflegeprozessdokumentation erfordert. Das ist für eine kurze Übergangsfrist nicht zumutbar, vor allem da die PPR im Pflegeprozess keinen Mehrwert bieten kann.
2. Im stationären Langzeitbereich soll ebenfalls das Personalbemessungsverfahren ausgebaut und beschleunigt werden. Die Sachlage ist ähnlich wie im Krankenhausbereich. Sollten hier verbesserte Pflegepersonalschlüssel das Ergebnis sein, können Heimanbieter dies zumeist gar nicht realisieren. Denn auch hier gibt es aktuell einen massiven Fachkräftemangel. In vielen Einrichtungen kann die Fachkraftquote nicht erfüllt werden. In der ambulanten Pflege warten Pflegebedürftige lange auf Termine, da die Kapazitäten in vielen Diensten nicht vorhanden sind, um den Bedarf an Pflege zu decken.
3. Die finanziellen Perspektiven zur Verbesserung der Gehaltsstruktur in den Pflegeberufen sind zu begrüßen. Hier bleibt abzuwarten, ob dies positive Auswirkungen auf die Attraktivität haben wird und wieder vermehrt Menschen den Pflegeberuf ergreifen. Wünschenswert an dieser Stelle wären eine tarifliche Neustrukturierung für Pflegende mit einem Studium ebenso wie die Schaffung eines inhaltlichen Rahmens zur Förderung der Umsetzung von evidenzbasierten Handlungskonzepten in der Pflege. Pflegende mit Studium am Bett sind ein entscheidender Faktor, um das pflegerische Outcome und die Patientensicherheit zu erhöhen.
4. Ein allgemeines Heilberufegesetz auf den Weg zu bringen ist zu begrüßen. Ob es dazu führt, dass die Patientenversorgung sich verbessert oder der Pflegeberuf aufgewertet wird, ist entscheidend davon abhängig, wie das Gesetz ausgestaltet wird. Also z. B. ob Pflege eine Verordnungskompetenz für Heil- und Hilfsmittel erhält, wie etwa bei Dekubitusrisiko entsprechende Weichlagerung zu verordnen, oder ob eine aktivierend- therapeutische Pflegeleistung im komplementären Bereich verordnungsfähig wird. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Ausgestaltung darstellt.
5. Grundsätzlich ist positiv zu bewerten, dass der DPR gestärkt wird. Ob die aufgeführten Punkte ausreichen, ist jedoch zu bezweifeln. Pflege braucht an vielen anderen Stellen ebenfalls eine stärkere Stimme und ein Recht auf die aktive Mitgestaltung in der Gesundheitsfürsorge.
Zusammengefasst: Gute Ansätze, aber deutlich zu wenig „Motivatoren“, um Menschen für Pflege zu begeistern und Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Pflege zu fördern.