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Stellungnahme zum Koalitionsvertrag: Ruhigstellung der Pflege mit Pseudoaktivität?

Koalitionsvertrag: Ruhigstellung der Pflege mit Pseudoaktivität?

Die Fachgesellschaft Profession Pflege e. V. (FG) möchte zunächst ihre Anerkennung dafür aussprechen, dass einige wirklich gute und aus Sicht der FG längst überfällige Punkte in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden sind.
Hierzu zählen z. B., dass die akademische Pflegeausbildung gestärkt werden soll, indem eine Ausbildungsvergütung ausbezahlt wird oder dass der Deutsche Pflegerat (DPR) als Stimme der Pflege im G-BA und anderen Gremien gestärkt und finanziell unterstützt wird. Andere Aspekte sind hingegen aus Sicht der FG sehr kritisch zu betrachten, wie: „Kurzfristig führen wir zur verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus die PPR 2.0 als Übergangsinstrument mit dem Ziel eines bedarfsgerechten Qualifikationsmixes ein.“

Diese Entscheidung, die PPR 2.0 vor dem Hintergrund der aktuellen Regelungen (Pflegebudget und PpUGV) sowie dem Fachkräftemangel in der Pflege einzuführen, sei laut der FG nutzlos und mit weiteren Fehlanreizen verbunden. „Eine breite Menge von Pflegemanagern unterstützt die Einführung der PPR 2.0 nicht. Ebenso stehen wir als Fachgesellschaft Profession Pflege e. V., wie viele andere Experten auch, nicht hinter dieser Interimslösung“, nehmen die Vorstandsmitglieder Stellung.

Die Interimslösung würde an den aktuellen Fehlanreizen beim Pflegepersonaleinsatz, sowie der teilweise fehlgesteuerten inhaltlichen Ausrichtung pflegerischer Arbeit nichts verändern. Im Gegenteil – die Pflegenden würden mit einer zusätzlichen täglichen Pflegepersonalbedarfserhebung belastet, welche inhaltlich keinen Beitrag zur adäquaten Pflegeprozessteuerung oder Verbesserung der Pflegequalität leisten kann. Die Fachgesellschaft ist sich sicher: dies wird an der Basis den Frust weiter erhöhen, eine neue Änderung ohne Wirkung!

Zudem werden die Ergebnisse der PPR 2.0-Daten über einen geschätzten Mehrbedarf von ca. 80.000 Stellen im Krankenhausbereich nichts ändern, denn es gibt diese Pflegenden de facto aktuell nicht. Zudem könnten Kliniken die benötigten Pflegepersonen vor dem Hintergrund der aktuellen Gesetzeslage nicht einstellen, wenn diese zur Verfügung stehen würden. Somit gibt es keinen Mehrwert einer PPR-Einführung.

Sollte die PPR-Einführung kommen, sieht die FG Profession Pflege folgende zentrale negative Auswirkungen:

  • Pflegerische Arbeit am Bett wird weiterhin auf einem schlechten Qualitätsniveau bleiben. Anreize, die Qualität und Patientensicherheit zu fördern werden nicht gesetzt. Vulnerable Patientengruppen erleiden heute in unseren Kliniken regelhaft einen Schaden.
  • Die Digitalisierungsbestrebungen in der Pflegeprozessdokumentation werden stagnieren und auf einem fachlich nicht akzeptablen Niveau stecken bleiben.
  • Das aktuelle Rationierungsverhalten pflegerischer Leistungen bleibt weiter unsichtbar und damit ein hohes Risiko auf erhöhte Mortalitätsraten und unerwünschte Ereignisse.
  • Pflege in Deutschland kann sich nicht weiterentwickeln.

„Wir tragen die dringende Bitte an die Politik heran, sich umfassend und im Detail mit den Auswirkungen einer möglichen PPR 2.0-Einführung auseinanderzusetzen und sich die verschiedenen Konzeptideen, die neben der PPR 2.0 und PPBI existieren, anzuhören.“

Leider ist die Sachlage hoch komplex, was eine tiefe Auseinandersetzung mit der Thematik erfordert, um negative Auswirkungen erkennen zu können. Bisher lagen wir mit unseren Prognosen über die Wirkung von z. B. der Ausgliederung der Pflege aus dem aG-DRG-System, der PpUGV oder des Pflegebudgets zu 100 % richtig, z. B. Aufgabenverschiebung pflegefremder Tätigkeiten in den Pflegebereich, Problemlage bei den Pflegebudgetverhandlungen, Pflegende am Bett nehmen keine Verbesserung wahr. PPR 2.0 wird sich dort einreihen und dazu beitragen, dass der Frust der Kolleginnen und Kollegen am Bett weiter steigt.

Selbst Experten, die mit der Entwicklung und Umsetzung von PPR 2.0-Einführungsprojekten beschäftigt waren, empfehlen, den Schritt der PPR-Einführung zu überspringen. „Es wird aus unserer Sicht Zeit, die Fragestellung der Pflegepersonalsteuerung grundlegend neu zu denken“, appelliert der FG-Vorstand. Zudem ist es bedeutend, die Fragestellung nicht isoliert zu betrachten, sondern vernetzt mit den Digitalisierungszielsetzungen, der Qualitätsentwicklung pflegerischer Arbeit, der Förderung einer evidenzbasierten Pflege am Bett, den neuen gesetzlichen Anforderungen aus der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, der Finanzierung pflegerischer Arbeit usw.

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